Am 23.01.2016 waren sie bereits zu sehen, die gelben Westen der Interessengemeinschaft Medizin (IG Med). Auch in der Tagesschau wurden sie als Aufhänger der Berichterstattung benutzt. Hier im Ärztenachrichtendienst sorgte die „gelbe Weste“ durchaus für kontroverse Diskussion. Wir sprachen mit Ilka Enger von der IG Med über politische Provokation.
Frau Enger, so mancher Kollege schaut mit Unverständnis auf die gewalttätigen Krawalle der „Gilets jaunes“ nach Frankreich und fragt sich, ob es sinnvoll ist dieses Symbol nun in die Arztpraxen zu tragen. Warum tun Sie das?
Die französischen Gelbwesten waren ja zunächst alles andere als gewaltbereit. Das waren ganz normale Bürger des Mittelstandes, die sich durch die politischen Gegebenheiten in ihrer Existenz bedroht sahen. Und auch heute noch sucht der Großteil der Demonstranten den politischen Diskurs und will mit den gelben Westen ein Signal setzen, dass es so nicht weitergehen kann.
Wenn wir das auf unser deutsches Gesundheitssystem übertragen, dann geht es uns Ärzten, aber auch den restlichen Heilberuflern doch nicht anders. Seit Jahren trägt man das medizinische Versorgungsproblem in Deutschland auf unserem Rücken aus und jedes neue Gesetz seit Ulla Schmidt hat das Morbiditätsrisiko und die Last der Krankheitskosten immer mehr auf die medizinischen Heilberufe und nicht zuletzt auf unsere medizinischen Fachangestellten verlagert. Höchste Zeit also, die gelben Westen überzuziehen und zu signalisieren, dass es so nicht weitergehen wird.
Sie wollen also auf die Straße zum Protest?
Ich denke, dass den großen Protestaktionen wie in den Jahren von 2006 bis 2010 der Wind aus den Segeln genommen wurde. Da waren die Körperschaften, die mit aller Macht gebremst haben. Da war auch Nürnberg 2, das uns durch die hektische Vorbereitung kurz vor Weihnachten 2010, eigentlich den Todesstoß versetzt hat. Da war auch eine eher negative Berichterstattung der Medien. Danach war die Luft einfach raus.
Eines ist sicher: Es wird Zeit, dass die Ärzte ihren Widerstand weiter entwickeln und sich mit Patienten und anderen Heilberuflern solidarisieren. Demos auf der Straße waren gestern. Die Protestveranstaltungen vom 23.01. und jetzt die kommende am „gesundheitspolitischen Aschermittwoch“ (06.03.)sind ein wichtiges Signal an die Politik, dass wir uns eben nicht mehr alles gefallen lassen. Und bei diesen Protestaktionen werden wir von der IG Med eben auch die gelben Westen tragen und ganz bewusst polarisieren und provozieren.
Also ist die „gelbe Weste“ so etwas wie Protestfolklore der IG Med?
Die “gelben Westen“ sind weit mehr als Folklore, wir verbinden damit 2 grundsätzliche Botschaften: Zum einen geht es uns um die Solidarisierung mit unseren Patienten auf dem gemeinsamen Nenner: „Zu viel staatliche Bevormundung und zu wenig Einflussnahme, vor allem auf die Gesundheitspolitik“ Zum Anderen wollen wir demonstrieren, dass wir mit unserer Geduld am Ende sind und den freien Arztberuf auch zum Wohle unserer Patienten verteidigen werden.
Meine Weste hängt in meinem Sprechzimmer an der Garderobe – und ich ziehe sie ganz gezielt jeden Montag in der Sprechstunde an. Manche Patienten gucken etwas verstört. Aber die meisten fragen mich danach, was das bedeuten soll – insbesondere die Aufschrift „Praxen am Limit“.
Wir werden deshalb unseren Mitgliedern der IG Med regelmäßige Montagsdemonstrationen in ihren Praxen empfehlen und sie mit einem Flyer ausstatten, mit dem sie die Patienten über die Systemfehler und den täglichen „Spahnsinn“ aufklären können. Und wir alle wissen ja, wie das mit den Montagsdemonstrationen ausgehen kann, wenn man sie nur konsequent genug durchführt.
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